Neues aus dem Brauereialltag

  • Im sich nun so langsam dem Ende neigenden Jahr 2024 haben wir sehr viel Zeit damit verbracht, die Qualität unseres Brauwassers wieder reproduzierbar einzustellen. Hintergrund ist, dass die Stadtwerke Clausthal im vergangenen Jahr 2023 zwei neue Wasserwerke installiert haben und das Wasser nun auf eine Härte von 5-6 °dH aufkalken. Dieser Prozess benötigte offensichtlich eine gewisse Lernphase, aber seit gut 3 Monaten messen wir in unserem Leitungswasser weitgehend konstante Werte von eben 5-6 °dH. Wir haben zwei Umkehrosmoseanlagen installiert, die uns demineralisiertes Wasser mit einem Durchfluss von akzeptablen 3 Liter pro Minute liefern, und wir können unser Brauwasser nun nach Bedarf anmischen.
    Mit dem nun wieder sehr weichen Wasser haben wir einige Versuche unternommen, Pilsner Biere zu brauen, da ein Pils zwingend ein sehr weiches Wasser benötigt, um das Hopfenaroma zu betonen. Als Konsequenz resultiert daraus, dass es von uns für anstehende Veranstaltungen aktuell relativ viele eher einfach gebraute Pilsner Biere gibt. Andererseits geht bei den industriellen Brauereien der Absatz an Pilsner Bieren zurück, und wir stellen fest, dass bei Veranstaltungen das Fass mit Pils stets als letztes leer wird, wenn überhaupt.
    Da wir so langsam damit beginnen müssen, die Biere für die 250J Feier der TU Clausthal zu konzipieren und zu brauen, werden wir uns wieder verstärkt auf charakterstarke Dunkelbiere, Schwarzbiere, dezent fruchtaromatische Helle und Pale Lager, alkoholreduzierte Bockbiere sowie insbesondere auf Pale Ale Biere konzentrieren. Bei letzteren lassen sich die Aromen beinahe beliebig variieren, und mit den neuesten Hopfenprodukten und dem ein oder anderen „Trick“ bleiben die Alkoholgehalte unserer Pale Ale Biere niedrig.
    Von Ausnahmen abgesehen brauen wir grundsätzlich nach dem isothermen Hochtemperaturmaischverfahren, mit welchem wir bei einer Stammwürze von 11 °P je nach Maischverfahren Alkoholgehalte zwischen 2 und 2,5 % vol erzielen. Von Zeit zu Zeit werden wir mit maltosenegativen Hefen auch alkoholfreie Biere brauen, aber sie werden wegen des hohen Preises für diese Hefen und wegen des sehr hohen Aufwandes inkl. Pasteurisation eher die Ausnahme bleiben. Für die 250 J Feier werden wir ein alkoholfreies Pale Ale mit maximal 0,5 % vol brauen sowie ein Helles mit ebenfalls nur 0,5 % vol Alkohol. Wir werden auch Kleinmengen an glutenfreien Bieren herstellen, eines davon wird ein fruchtaromatisches ausschließlich aus Quinoa hergestelltes kaltgehopftes Pale Ale sein.

  • Das Journal of the American Society of Brewing Chemists hat unser neuestes Manuskript mit dem Titel
    Mashing isothermally at high temperature compared to infusion mashing for the production of full-bodied, alcohol-reduced beer
    zur Veröffentlichung angenommen. In dieser Arbeit haben wir Pilsener Biere nach drei verschiedenen Maischverfahren gebraut und jeden Versuch 3x durchgeführt, um statistische Sicherheit zu gewährleisten.
    Einmal haben wir im praxisüblichen Hoch-Kurz-Verfahren gemaischt, einmal mit einem vereinfachten Hoch-Kurz-Verfahren (direkt nach Einmaischen wurde auf 72 °C hoch geheizt), und einmal im isothermen Hochtemperaturmaischverfahren bei 72 °C, gemaischt wurde immer eine Stunde. Wir haben in allen Versuchen fast identische Stammwürzen erhalten. Die fertigen Biere wurden alle am Forschungszentrum für Brau- und Lebensmittelqualität der TU München sensorisch bewertet (aka „Verkostung“), und das Fazit lautete:
    "The beers were rated on a scale of 1 to 5 (the tasters are only allowed to give whole marks) by the certified tasters according to the hypothetic ideal type of this beer type in all aspects, with 1 representing the lowest ranking and 5 representing the ideal value. It should be noted that a value of 4 still means, that no off-flavours could be detected and it would still be possible for the beer to be bestowed an DLG award in Gold. The results show that all three beers scored well above 4.0 in all five attributes and the descriptive results showed very similar results (data not shown). Interestingly none of the certified tasters missed in the low alcohol beers done with isothermal mashing procedure the alcohol content."
    Die Versuche zu dieser Veröffentlichung wurden basierend auf zahlreichen Vorversuchen ab Herbst 2022, in denen die Malzrohrtechnik eine mangelnde Reproduzierbarkeit zeigte, im Sommer und Herbst 2023 durchgeführt. Nach einer umfangreichen Auswertung wurde das Manuskript Ende Juni 2024 zur Begutachtung eingereicht. Schaut man ein wenig in die ältere Literatur, überrascht unser Ergebnis eigentlich nicht, denn der Aromaaufbau durch konventionelle Hefen ist nach Erreichen von ca. 2 % vol Alkohol abgeschlossen, danach wird nur noch Alkohol gebildet. So können wir die häufig an uns gerichtete Frage „Ja schmecken eure halben Biere denn überhaupt wie richtige Biere?“ nun belegbar mit JA beantworten.

  • Am 15.7.2024 waren wir mit Unterstützung der Landesforsten an zwei Standorten im Harz auf der Suche nach Hefen, und am 3.8.2024 erschienen in verschiedenen lokalen Zeitungen Berichte dazu. Wir haben viele Anrufe erhalten, in denen wir auf sehr alte Eichen hingewiesen wurden. Man kann das Alter von Bäumen sehr grob anhand des Stammdurchmessers bzw. -umfangs schätzen, dazu gibt es Webseiten im Internet. 600 Jahre alte Eichen, wie sie in Schweden häufig zu finden sind, haben einen Stammdurchmesser von 2,5 Meter, 200 Jahre alte Eichen von ca. 1 Meter, wobei diese Werte nur als Orientierung zu betrachten sind.
    Die von uns beprobten Eichen waren gut 200 Jahre alt, und wir haben an zwei verschiedenen Standorten verschiedene Hefen gefunden. Wir möchten den Ergebnissen der Kollegen an der TU München nicht vorgreifen, aber wir haben (mindestens) zwei verschiedene Bierhefen gefunden sowie Weinhefen – leider aber nicht die Saccharomyces Eubayanus. Da bisher ein fundamentales Verständnis fehlt, welche Hefen an welchen Bäumen unter welchen klimatischen Bedingungen vorkommen, werden wir uns im September mit unserem Lehrbeauftragten und den Landesforsten an anderen Stellen erneut auf die Suche nach Hefen begeben. Und gleich um die Ecke am Institut gibt es eine sehr alte Esche, die auch interessant sein könnte.

     

  • An der TU München in Freising-Weihenstephan betreut Priv.-Doz. Dr. Mathias Hutzler im dortigen Forschungszentrum für Brau- und Lebensmittelqualität seit vielen Jahren das Projekt „Hefejagd“ (Suchwörter: TU München; Hefejagd; Mathias Hutzler).
    Die Kollegen treibt die wissenschaftliche Neugierde an, weil für die Herstellung von Bier von den geschätzten ca. 1 Million natürlich vorkommenden Hefen vielleicht 100 für die Herstellung von Bier verwendet werden, großtechnisch noch weniger. In der erfolgreich abgeschlossenen Dissertation von Frau Dr. Yvonne Methner wurden an der TU München zahlreiche Aromahefen im Hinblick auf ihr Potential für die Herstellung von Bier untersucht. Heute werden die meisten untergärigen Biere in Deutschland mit der sog. W34/70 hergestellt. Das ist eine Hefe, die den Bieren einen harmonischen Charakter verleiht und durch ein sehr gutes Sedimentationsverhalten den großtechnischen Brauprozess bis hin zur finalen Filtration sehr effizient gestaltet. Auch wir haben mit dieser Hefe und mit der Diamond von Lallemand Brewing beste Erfahrungen, insbesondere mit der Filtration unserer Biere. Warum sollte man sich also überhaupt mit der Suche nach neuen Hefen beschäftigen, erscheint außerhalb der Brauwissenschaften das Thema Bier doch ausgeforscht, und überhaupt, warum gibt es eigentlich Studiengänge oder Lehrveranstaltungen zum Thema Bier, wenn es doch gar nichts mehr zu forschen gibt? So ähnlich begann das Gespräch des Autors dieser Zeilen im August 2023 mit einem Journalisten, der sich danach jedoch sehr interessiert zeigte. Für Details zu Hefen sei hier auf die Arbeiten von Mathias Hutzler verwiesen, an dieser Stelle sollen nur einige Gedanken dazu zusammengefasst werden.

    In den USA werden aktuell die Weichen stark in die Richtung alkoholreduzierter, alkoholarmer und alkoholfreier Biere gestellt, und die Brauerei „Athletic Brewing“ hat in einer aktuellen Pressemitteilung dazu ein klares Statement abgegeben. Alle Trends in den USA erreichen früher oder später auch Deutschland. An der TU Clausthal beobachten wir bei den Veranstaltungen, die wir beliefern, ein hohes Interesse an unseren Bieren mit nur ca. 2,5 % vol Alkohol. Mit maltotriosenegativen Hefen erreichen wir bei der biertypischen Stammwürze von rund 11 °P mittlerweile sogar Alkoholgehalte von nur noch 1,7 % vol. Wir selber kennen nur zwei kommerzielle maltotriosenegative Hefen für die Herstellung von Bier, sicher gibt es mehr in den Hefebanken. Einige Hefen verwerten sogar die Maltose und die Glucose nicht vollständig, obwohl sie diese grundsätzlich verwerten, und mit solchen Hefen kann der Alkoholgehalt von Bieren weiter reduziert werden.
    Es gibt auch zahlreiche sog. maltosenegative Hefen, die für die Herstellung von alkoholfreien Bieren mit weniger als 0,5 % vol Alkohol geeignet sind, wie z.B. die Saccharomycodes Ludwigii, die Cyberlindnera Misumaiensis oder die Cyberlindnera Saturnus, die ein starkes Aroma von Birnen erzeugt. Vergärt man mit der Pichia Kluyveri kontrolliert in der Gegenwart von Sauerstoff, veratmet diese die Glucose unter Bildung von Aromastoffen und Kohlensäure, ohne aber Alkohol zu bilden. Mit diesen noch lange nicht ausgereizten Hefen wird von Anfang an weniger bis kein Alkohol produziert, in der Folge muss dieser auch nicht mit hohem Energieaufwand entfernt werden. Unser isothermes Hochtemperaturmaischverfahren vermindert wiederum die Bildung vergärbarer Zucker bei Anreicherung unvergärbarer Zucker, sodass sich eine Kombination mit solchen Hefen anbietet.

    Ein weiterer Aspekt besteht darin, dass es irgendwann einmal sein könnte, dass der W34/70 vielleicht das Schicksal des penicillium camemberti droht. Dieser Pilz wird für die Herstellung von Camembert verwendet, und es gibt Stimmen, die fürchten, dass dieser Edelschimmelpilz, der dem Camembert sein typisches Aroma verleiht, vielleicht sogar schon in 15 Jahren ausgestorben sein könnte. Ob es so kommt, ist noch unklar, nichtsdestotrotz sucht man der Käsebereitung bereits nach Alternativen, die jedoch mit einem anderen Geschmack einhergehen werden. Es ist daher auch von grundsätzlichem Interesse, in der Natur nach neuen Hefen zu suchen, die für die Herstellung von Bier geeignet sein könnten.
    Dabei ist dann auch noch eine andere Frage zu klären. Untergärige Hefen wie die W34/70 sind im Laufe der Evolution irgendwann einmal aus der Saccharomyces Eubayanus und der Saccaromyces Cerevisiae entstanden. Unser Lehrbeauftragter, Dr. Martin Zarnkow, geht in seinen Vorlesungen bei uns auf dieses Thema ein. Bisher wurde die Saccharomyces Eubayanus weltweit schon an einigen Stellen gefunden, aber noch nicht in Deutschland. Hefen sind wie auch Schimmelpilze ubiquitär und finden sich in der Rinde von zahlreichen Bäumen wie Eiche, Esche, Ulme, Hainbuche und andere. Für eine Zusammenfassung des Lebenszyklus von Hefen sei an dieser Stelle auf die Habilitationsschrift von Dr. Mathias Hutzler verwiesen, die von ihm direkt erhalten werden kann.
    Zum einen wurde der Harz bisher gar nicht beprobt, zum anderen gibt es im Harz sehr alte Eichen, die teilweise über 400 Jahre alt sind. Wir haben uns daher zusammen mit Carsten Pfeil von der Brauakademie Zellerfeld und mit zwei Mitarbeitern der Niedersächsischen Landesforsten am 15.07.2024 mit einem von den Kollegen der TU München zusammengestellten Entnahmebesteck auf die Suche nach Hefen gemacht. Die Mitarbeiter der Landesforsten, bei denen wir uns an dieser Stelle ganz herzlich bedanken, haben uns zu öffentlich faktisch nicht zugänglichen Bereichen um Goslar herum geführt, in denen wir Bäume beproben konnten. Wir haben von Traubeneichen, Hainbuchen, Eschen und einem Bergahorn Proben der Rinde nehmen dürfen, teilweise bis zum Kambium.
    Von außen nach innen ist ein Baum folgendermaßen aufgebaut: Borke, Bast, Kambium, Splintholz, Kernholz und ggf. Mark. Ein Baum wächst, indem sich das Kambium nach außen und innen ausdehnt. Der Bast transportiert die Nährlösung aus der Photosynthese in der Krone des Baumes zu den Wurzeln, das Splintholz Wasser und Mineralien nach oben in die Krone. Hefen finden sich daher vorzugsweise in Borke und Bast, weil im Bast die zuckerhaltigen Lösungen transportiert werden und sich der Bast nach außen in die Borke umwandelt. Hefen werden durch diesen Prozess in der Borke eingeschlossen. So erklärt sich nebenbei auch, warum Borkenkäfer und Buchdrucker verheerende Schäden an den Fichten im Harz anrichten. Die Käfer schädigen das Kambium und den Bast, die Wurzeln werden nicht mehr ernährt, und in der Folge vertrocknen die Bäume wegen des gestörten Flusses der Nährstoffe zu den Wurzeln und von Wasser und Mineralien zur Krone.
    Die von uns beprobten Eichen waren 200 - 210 Jahre alt. Auch haben wir an den beiden verschiedenen Orten, an denen wir Proben genommen haben, Bodenproben entnommen. Alle Proben wurden steril entnommen und verpackt, sofort gekühlt und per Kurier in das Labor von Mathias Hutzler gebracht. Wir sind gespannt, ob wir bei dieser ersten Hefesuche im Harz Hefen gefunden haben und welche. Da es im Harz noch viel ältere Eichen gibt dazu sehr alte Eschen, werden wir je nach Lage dieser ersten Ergebnisse ggf. zusammen mit den Kollegen von der TU München weiterhin auf Hefejagd im Harz gehen. Wir freuen uns sehr, dass wir das Projekt Hefejagd der TU München unterstützen dürfen.

  • Wer schon einmal in den USA ein Pub besucht hat, wird in diesen eine große Auswahl an Pale Ale Bieren bemerkt haben. Und selbstverständlich ist dort ein Pale Ale, ein Imperial Pale Ale, ein India Pale Ale oder ein NEIPA ein „beer“. Außerhalb von Deutschland wird für die Bereitung von Bieren auch Rohfrucht verwendet, also verschiedene unvermälzte Stärkelieferanten. Das kann Gerste sein oder Weizen, aber auch Reis, Mais und Quinoa werden in gewissen Anteilen (bis zu ca. 40%) verwendet. Da ein Pale Ale durch den fruchtaromatischen Hopfencharakter dominiert wird und je nach Typ auch durch eine hohe Bittere, ist es nur für sehr geübte Menschen möglich, die Verwendung anderer Rohstoffe als Gerstenmalz geschmacklich zu bemerken.
    In Deutschland werden Biere nach dem sog. Reinheitsgebot gebraut. Dabei handelt es sich in der ursprünglichen Fassung um eine Verordnung vom 23. April 1516, die die Zutaten zur Herstellung von Bier auf Wasser, Gerste und Hopfen reduziert. Die Hefe kannte man damals noch nicht, ein Verständnis dazu entwickelte man erst mit der lichtmikroskopischen Untersuchung dieses „Zeugs“ im 19. Jahrhundert durch Louis Pasteur. Diese Verordnung, in die sicher verschiedene Interessen einflossen, resultierte auch aus der damaligen sog. Kleinen Eiszeit. Weizen ist bezüglich der Bodenqualität recht anspruchsvoll, und während dieser klimatischen Phase war die Bodenqualität eingeschränkt, es kam daher zu Versorgungsengpässen mit Weizen für die Ernährung mit Brot. Da die Gerste, viel mehr aber noch der Roggen, bzgl. der Bodenqualität viel robuster ist als der Weizen, entschieden die Fürsten eben, dass für die Bereitung von Bier die Gerste verwendet werden muss. Diese heute als Reinheitsgebot bezeichnete Verordnung macht keinerlei Aussage zur Beschaffenheit der Gerste, also auch nicht zu Malz, auch nicht, wann und in welcher Form der Hopfen dem Bier zugegeben werden kann oder muss. Die Hefe kannte man nicht, man wusste aber sehr wohl, dass ohne das „Zeugs“ kein Bier entsteht.
    Wenn man den Text von 1516 wie auch die geläufige Kennzeichnung „Gebraut nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516“ semantisch streng auslegt, dürfte ein Bier in Deutschland nur aus Gerste, Hopfen und Wasser gebraut werden, und die Fermentation müsste sogar durch Hefen aus der Luft erfolgen. Andererseits wurde diese Verordnung im Jahre 1516 nicht als Reinheitsgebot bezeichnet, sie wurde im Laufe der Zeit aber immer weiterentwickelt, und in Deutschland wird im sog. „Vorläufiges Biergesetz“ vom 29. Juli 1993 genau geregelt, wie ein Bier in Deutschland herzustellen ist. Also, jedes alkoholische Getränk, das aus Wasser, Malz, Hopfen und Hefe hergestellt wird und als Bier bezeichnet und in den Verkehr gebracht werden soll, muss nach den Vorgaben dieses Gesetzes hergestellt werden, welches letztlich das deutsche Reinheitsgebot darstellt. Dieses Gesetz wird bei uns in der Vorlesung ausführlich besprochen, daher sei an dieser Stelle empfohlen, im Internet nach diesem Gesetz zu recherchieren – oder im Sommersemester die Vorlesung zu besuchen. Im Hinblick auf die Herstellung von Pale Ale Bieren ist §9 von Bedeutung. In Absatz 5 Satz 1 steht: „Hopfenpulver und anderweit zerkleinerter Hopfen sowie Hopfenauszüge müssen ausschließlich aus Hopfen gewonnen sein.“ Ferner heißt es darunter in Absatz 5: „Die Hopfenauszüge dürfen der Bierwürze nur vor Beginn oder während der Dauer des Würzekochens beigegeben werden.“

    Ein Pilsner Bier, welches aus Gerstenmalz hergestellt wurde, ist demnach dann ein Bier, wenn sowohl der Bitterhopfen als auch der Aromahopfen während des Würzekochens oder zumindest kurz vor dessen Ende zugegeben wurden. Nach diesem Gesetz besteht die Freiheit, Hopfendolden, Hopfenpellets und Hopfenextrakt in jeglicher Kombination während des Kochens zu verwenden, wenn diese nicht zuvor isomerisiert wurden. „Kochen“ ist thermodynamisch klar definiert und beschreibt hier am Beispiel von Wasser den Phasenübergang erster Ordnung von flüssigem Wasser zu Wasserdampf. Der Siedepunkt, also die Temperatur, bei der Wasser kocht, ist abhängig vom Druck, der mit zunehmender Höhe abnimmt. Gleichzeitig sinkt auch der Siedepunkt mit zunehmender Höhe. Näheres dazu beschreibt die Clausius-Clapeyron-Gleichung, die in der Vorlesung „Physikalische Chemie 1“ behandelt wird.
    Wie verhält es sich nun, wenn zur Aromaverstärkung eines Pilsner Bieres der Aromahopfen erst in den Whirlpool bei ca. 95 °C gegeben wird? Zwar verdampft immer noch Wasser, die Moleküle gehen noch immer vom flüssigen in den gasförmigen Zustand über, aber der Siedepunkt ist unterschritten, und im Whirlpool findet auch kein Kochen mehr statt. Ein derart hergestelltes Bier wäre demnach kein Bier mehr im Sinne des Gesetzes. Bei der Fassung dieses Gesetzes wollte man auch sichergehen, dass ein Bier zu jedem Zeitpunkt ein hygienisch einwandfreies Getränk ist. Auf Hopfen können sich verschiedene Mikroorganismen bis hin zu Fremdhefen befinden, und die Zugabe beim Kochen garantiert, dass diese Keime aber auch Sporen von Schimmelpilzen abgetötet werden. Die international lange bekannte Kalthopfung mit Hopfendolden oder Hopfenpellets war seinerzeit 1993 in Deutschland zwar nicht unbekannt, aber sie wurde kaum oder gar nicht praktiziert und spielte daher bei der Fassung des Gesetzes keine Rolle.
    Und Hopfenextrakte? Heutzutage werden Bitter- und Aromahopfenextrakte mit überkritischem Kohlenstoffdioxid hergestellt. Der sog. kritische Punkt von Kohlenstoffdioxid liegt bei rund 31 °C und rund 74 bar, für eine genauere Betrachtung sei an dieser Stelle auf die Lehrbücher der Physikalischen Chemie oder auf einschlägige Tabellenwerke verwiesen. Oberhalb dieser Temperatur und dieses Drucks liegt Kohlenstoffdioxid weder als Flüssigkeit noch als Gas vor, es hat sich in ein Fluid verwandelt, welches in der Lebensmittelverfahrenstechnik als vielfältiges Extraktionsmittel verwendet wird, so auch in der Herstellung von Aromahopfenextrakten. Überkritisches Kohlenstoffdioxid darf als eines der reinsten Lösemittel in der Lebensmittelverfahrenstechnik betrachtet werden, da es keine Verunreinigungen enthält, und solchermaßen behandelte Lebensmittel erfüllen das Lebensmittelrecht.
    Und warum ist ein solcher Extrakt nur für die Zugabe während des Kochens zugelassen? Die Antwort liegt darin begründet, dass früher eben auch chemische Lösemittel zur Extraktion von Hopfen verwendet wurden, auch wenn sich in den 30 Jahren seit Bestehen dieses Gesetzes Vieles geändert und verbessert hat. Es ist Grundwissen der Chemie, dass selbst absolutierte Lösemittel nie frei von Verunreinigungen sind, lediglich Lösemittel in HPLC-Qualität erreichen die höchstmögliche Reinheit, jedoch muss diese Reinheit auch bezahlt werden. Denkt man dann noch daran, dass früher auch halogenierte Lösemittel zur Extraktion von Hopfen verwendet wurden, ist der Gesetzestext sehr gut nachvollziehbar: Durch das Kochen werden evtl. Lösemittelreste ausgekocht, und in der Würze verbleiben keine unerwünschten Reste dieser.
    Hopfenextrakte werden heute zwar mit überkritischem Kohlenstoffdioxid hergestellt, man findet aber auch noch Ethanol-Extrakte, die wie auch die erst genannten jedoch dem Lebensmittelrecht entsprechen. Wenn nun für die Herstellung eines Pale Ale jedwede Kalthopfung praktiziert wird, und streng genommen gilt dies auch für die Whirlpool-Hopfung eines Pilsner Bieres, widerspricht ein solches Bier, auch wenn es wie ein Bier hergestellt wurde, wie ein Bier aussieht, wie ein Bier riecht und wie ein Bier schmeckt, eigentlich dem vorläufigen Biergesetz von 1993 und dürfte (in Deutschland) nicht unter der Bezeichnung „Bier“ in den Verkehr gebracht werden.
    So könnte man folgende Quizfrage formulieren: „Was sieht aus wie ein Bier, riecht wie ein Bier, schmeckt wie ein Bier und wurde wie ein Bier hergestellt, ist aber kein Bier?“ Wenn ein solches Getränk per Gesetz kein Bier ist, muss es in Deutschland eigentlich als „Alkoholisches Getränk“, als „Alkoholisches Getränk nach Art eines Bieres“ oder als „Biermischgetränk“ bezeichnet werden, auch wenn die obligatorische Zutatenliste keinen anderen Schluss zulässt als den, dass es sich um ein Bier handelt. Oder man beantragt bei der zuständigen Behörde die Zulassung als „Besonderes Bier“, was aber Kosten verursacht, da das zuständige Amt eben jeden Antrag individuell prüfen muss. Schnell stehen dann tausend Euro und mehr auf der Rechnung. Und es kann durchaus sein, dass diese Bezeichnung dann nur für eine einzige Rezeptur verwendet werden darf.
    So gesehen lässt sich die eingangs gestellte Frage gar nicht so einfach beantworten, zumal das vorläufige Biergesetz von 1993 wie für die Ewigkeit in Stein gemeißelt erscheint. Andererseits befindet sich ein kaltgehopftes Pale Ale sehr nahe an der Fassung von 1516 des sog. Reinheitsgebotes, welches keine Aussage darüber macht, ob der Hopfen verarbeitet werden darf und zu welchem Zeitpunkt er dem Bier zugegeben werden muss. Bei dieser nicht eindeutigen Sachlage halten wir uns daher an die Benennung des Deutschen Brauer-Bundes, und dort werden die Typen India Pale Ale und allgemein Pale Ale, die in der Regel alle auf die eine oder andere Weise kaltgehopft sind, als „Obergärige Bierspezialität“ bezeichnet. (Suchwörter (14.07.2024): Brauer-Bund; Pale Ale; Reinheitsgebot).

  • Aus lebensmittelrechtlichen Gründen muss auf einem Lebensmittel ein Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) angegeben werden. Im angloamerikanischen Raum findet man auch häufig die Angabe "Best before". Viele Lebensmittel, deren MHD abgelaufen ist, werden weggeworfen, und die Supermärkte reagieren auf ein sich näherndes MHD mit Nachlässen. Wird ein Lebensmittel, dessen MHD abgelaufen ist, weiterhin in den Verkehr gebracht, kann es durchaus zu rechtlichen Problemen kommen, erst recht, wenn dieses verdorben ist.
    Sind Lebensmittel nach Ablauf des MHD nun ungenießbar oder sogar gesundheitsschädlich? In der Regel nicht, aber es hängt natürlich stark vom Einzelfall ab, daher sollten Lebensmittel idealerweise vor Ablauf des MHD verzehrt werden. Allerdings ist sicher jedem schon einmal passiert, dass man einen Joghurtbecher öffnet, dessen MHD noch nicht abgelaufen ist, und man sieht Schimmel. In diesem Fall ist eben irgendwo in der Produktionskette etwas schiefgegangen, denn Schimmelpilze sind ubiquitär. Solche Fehler sind schwer gänzlich auszuschließen, und wir mussten kürzlich auch feststellen, dass unsere Flaschenwaschmaschine das alkalische Reinigungsmittel nicht mehr ansog. Es hat sich aufgrund von Alterung des Silikonschlauches ein Riss in diesem gebildet, und so war die Ansaugung unterbrochen. Wir haben dies durch eine regelmäßige Kontrolle unserer Abläufe schnell bemerkt und den Mangel unmittelbar abgestellt.
    So gesehen basiert die Angabe eines MHD immer auf den Erfahrungswerten der Vergangenheit, und bei unserem Flaschenbier geben wir ab dem Abfülltag eine Haltbarkeit von 6 Wochen an. Dass Bier auch schon einmal mehr als 40 Jahre in einer Flasche ohne mikrobiologische Auffälligkeiten überdauern kann, haben wir in der Fachzeitschrift BRAUWELT Nr. 20 (2020) 534 - 536 veröffentlicht. Trinkbar war dieses seinerzeit schon 43 Jahre alte Bier wegen Oxidation zwar nicht mehr, aber es fanden sich keinerlei Keime in diesem Bier.
    Grundsätzlich ist es so, dass Bier mit einem pH-Wert von 4,5 und darunter ein mikrobiologisch sicheres Getränk ist und Krankheitskeime sich darin nicht vermehren können. Allerdings gibt es obligat bierschädliche Keime, die Bier trotzdem verderben können. Dazu gehören lactobacillus brevis, durch den Bier trübe und sauer wird, lactobacillus acetotolerans (saurer Geruch) und pediococcus damnosus, durch den ein buttriger Geschmack entsteht. Viele dieser Keime befinden sich auf Malz, daher ist überall im Kaltbereich sorgfältige Hygiene erforderlich. Die Hygiene im Braubetrieb wird bei uns auch im Praktikum besprochen und im Braubetrieb demonstriert.
    Wir hatten, bevor wir mit der Filtration von Bier begannen, nie eine Infektion zu beklagen, auch eine behördliche Lebensmittelkontrolle im letzten Jahr war ohne Befund. Eine grundsätzliche Schwachstelle sind die Gegendruckabfüllanlage, die Leitungen sowie die Flaschen selber. In der Abfüllanlage können sich an Kanten und beweglichen Teilen Ablagerungen bilden, aber wir reinigen diese Gerätschaften vor und nach Abfüllen gründlich mit sterilem Wasser und anschließend ausgiebig mit Nassdampf. Unsere Druckfässer werden bei 75 °C mit einem sauren Reinigungsmittel gereinigt, die zerlegten Fittinge alkalisch bei 63 °C, gefolgt von einer Nassdampfbehandlung. Bei den Flaschen achten wir mittels Einzelinspektion penibel auf deren Sauberkeit, und seit Einführung eines Bestellsystems kommen im Moment alle Flaschen sauber ausgespült zurück. Wenn diese danach noch während 7 Minuten bei 63 °C in der Flaschenwaschmaschine alkalisch gereinigt und anschließend mit UV-behandeltem Wasser gespült werden, sind sie brautechnisch steril.
    Diese penible Vorgehensweise beherzigen wir seit den Anfängen unserer Brauerei, und so schlecht scheint diese Vorgehensweise nicht zu sein. Eine Mitarbeiterin aus einem zentralen Institut der TU Clausthal brachte uns am 04.07.2024 zwei leere Flaschen Bier zurück, und das Bier wurde wenige Tage vorher getrunken. Sie versicherte uns, dass das Bier sehr gut schmeckte und keinerlei Anzeichen von Alterung zeigte. Es wurde beinahe zwei Jahre lang in einem Kühlschrank vergessen und erst im Zuge einer Veranstaltung wiedergefunden. Es handelte sich um ein am 18. Juni 2022 im Rahmen des Braupraktikums gebrautes Dunkelbier mit einer Stammwürze von 14,7 °P und 4,5 % vol Alkohol und ein im selben Praktikum gebrautes Weissbier mit nur 0,9 % vol Alkohol und 7,5 °P. Bei letzterem wurde eine maltosenegative Hefe verwendet, und das Bier überstand diese zwei Jahre ohne Probleme und ohne Anzeichen einer Vergärung durch Fremdhefen. In der Herstellung von Lebensmitteln ist die Hygiene eben das A und O, und dann kann ein nicht filtriertes und nicht pasteurisiertes Bier im Kühlschrank auch schon einmal zwei Jahre ohne Qualitätsverlust überstehen.

  • An dieser Stelle möchten wir über unsere Erfahrungen mit der Filtration von Bieren berichten und verweisen für grundsätzliche Details zur Filtration auf eine fünfteilige Serie in der Fachzeitschrift BRAUWELT, die dort ab Nr. 44 (2021) veröffentlicht wurde.
    Als erstes stellt sich sicher die Frage, warum man ein natürliches Produkt wie Bier überhaupt filtrieren soll, werden so doch die "guten Inhaltsstoffe" entfernt und das Bier verliere an Qualität, so die landläufige Meinung. Zunächst einmal muss man bei dieser Betrachtung berücksichtigen, dass in Großbrauereien hergestelltes Bier in großen Mengen in den Handel kommt und exportiert wird, die Kunden in der überwiegenden Mehrheit ein klares Bier wünschen, und sicher haben die meisten, die unsere Website regelmäßig lesen, wie auch wir schon die Situation erlebt, dass im Sommer Bier draußen vor dem Supermarkt in der Sonne steht und zu günstigen Preisen angeboten wird.
    Filtriertes und ggf. pasteurisiertes Bier ist ein sehr robustes Getränk und übersteht eine solche Behandlung eine Weile, aber ein naturtrübes und vielleicht nicht pasteurisiertes Bier würde solche Bedingungen nicht lange ohne massive Qualitätseinbußen überstehen. Wir haben andererseits bei den nun zahlreichen Veranstaltungen an der TU Clausthal, die wir beliefern, festgestellt, dass es gar nicht so wenige Menschen gibt, die Probleme mit Bierhefe haben und nach Genuss eines naturtrüben Bieres allergische Reaktionen zeigen, die sich bis in den gastrointestinalen Trakt ausbreiten können. Daher haben wir in den letzten Monaten mit der Filtration von Bieren begonnen und das umgesetzt, was für uns technisch wie finanziell realisierbar ist.
    In mittleren und größeren Brauereien wird das noch recht trübe Bier ca. 3 - 6 Wochen nach Ende der Gärung einer Kieselgurfiltration unterzogen. Dieses natürliche Produkt adsorbiert Hefe und Trubstoffe und durch Sedimentation fällt ein Großteil der Trubstoffe aus. Das schon relativ klare Bier durchläuft danach eine Feinfiltration und je nach Größe der Brauerei im letzten Schritt eine Kerzenfiltration. Kerzenfilter gibt es bis zu minimalen Porengrößen von 100 nm, und nach einem solchen Filter wird ein steriles Bier erhalten. Der Filtrierprozess kann auch noch durch eine Pasteurisation begleitet werden. Es gibt weitere Verfahren wie Zentrifugation mit Cross-Flow Filtration sowie Schichten- und Modulfiltration in einer bis mehreren Stufen.
    Der technische und finanzielle Aufwand ist abgesehen vom Platzbedarf doch erheblich, und uns war schnell klar, dass eine solche Filtration für uns nicht umsetzbar ist. Wir haben uns nach Austausch mit Kollegen aus der Brauindustrie für eine Kerzenfiltration entschieden und verwenden Kerzenfilter aus Polypropylen mit einer Porengröße von 450 nm. Für unser Filtergehäuse und unter Berücksichtigung der Kosten und des Aufwandes sind dies die Filter mit den geringsten Porengrößen, die wir nutzen können. Der technische Aufwand ist eher gering, wir benötigen zum Druckaufbau nur eine Kohlensäureflasche, mit der das Bier aus dem Druckfass (Keg) über den Filter in ein anderes Fass umgefüllt wird. Wir verwenden maximal 3 bar Überdruck, unsere flexiblen Bierleitungen sind für diesen Maximaldruck ausgelegt, auch unterliegt die Druckdifferenz am Filter gewissen Grenzen. Die Filtration unserer Biere funktioniert grundsätzlich problemlos, und wenn das Bier im Druckfass zuvor durch natürliche Sedimentation gut vorgeklärt wurde, sind 50 Liter Bier in ca. 20 Minuten filtriert. Ist das Bier jedoch noch deutlich trübe, setzt sich der Filter nach 20 Litern derart zu, dass wir den Filter mit sterilem Wasser gegenspülen müssen, bevor die Filtration fortgesetzt werden kann. Dann kann es auch schon einmal 90 Minuten und mehr dauern, bis 50 Liter Bier filtriert sind.

    Unsere Erfahrungen lassen sich grob folgendermaßen zusammenfassen: Wenn mit gut sedimentierenden Hefen wie bspw. den obergärigen "Nottingham", "BRY-97" oder "Verdant IPA" von Lallemand Brewing oder deren untergäriger "Diamond" (oder der sehr weit verbreiteten W34/70) vergoren wird, sind die Biere, wenn sie nach Abschluss der Hauptgärung in Druckfässer gefüllt werden, nach ca. vier Wochen so gut vorgeklärt, dass die Filtration schnell und problemlos verläuft.* Das Filtrieren von 50 Litern Bier dauert dann 20 - 30 Minuten, und wenn der Filter anschließend mit 20 Liter sterilem Wasser gegengespült wird, ist der Filter bereit für die nächsten 50 L Bier.
    Mit schlecht sedimentierenden Hefen wie Staubhefen stellt sich die Situation jedoch gänzlich anders dar, und es kann passieren, dass die Filtrationsrate schon nach gerade einmal 10 Litern derart gering wird, dass der Filter gegengespült werden muss. Das wäre der Fall bei Kölsch- oder Altbierhefen und allen Hefen, deren Sedimentation vom Hersteller als "Low - medium" eingestuft wird. Dazu gehört auch die "Windsor" von Lallemand Brewing. Diese Hefe ist maltotriosenegativ und eignet sich gut, um mit unserem isothermen Hochtemperaturmaischverfahren vollmundige Pale Ale Biere mit weniger als 2 % vol Alkohol herzustellen. Die Filtration ist jedoch eher unerfreulich, weshalb wir, wenn wir mit dieser Hefe brauen, das Bier entweder gar nicht filtrieren oder eben nur kleine Mengen für diejenigen, die Probleme mit Hefe haben. Auf unseren Etiketten weisen wir nun auch aus, ob ein Bier pasteurisiert und/oder filtriert ist.
    Augenscheinlich sind die Biere nach der Filtration übrigens klar, lediglich mit einer Streulichtmessung sehen wir, dass es doch noch minimale Trübungen gibt, die die 450 nm weiten Poren des Filters passieren, Geschmackseinbußen haben wir noch nicht vernommen, und das Bier ist nach der Filtration faktisch steril, weil Hefezellen und Bakterien mit mehreren Mikrometern Durchmesser zu groß sind, um den Filter zu passieren.
    Allerdings gibt es doch eine Stolperfalle, und die liegt darin, wie der Filter nach der Filtration behandelt und gelagert wird. Wir haben verschiedene Ratschläge erhalten. Auf einer Fachtagung im März 2024 wurde empfohlen, die Filter im ungeöffneten Gehäuse mit kaltem Wasser gegenzuspülen, danach mit 80 °C warmem Wasser und im letzten Schritt mit Kohlensäure zu trocknen. Das haben wir getan, und als wir nach einer Woche mit einem solchen Filter erneut ein Bier filtrieren wollten, schmeckte dieses nach Pappe. Es half auch nicht, mit 50 Liter Wasser gegenzuspülen, der Pappe-Geschmack blieb. Wir haben die Filterkerze daher entsorgt und eine neue eingesetzt. Uns wurde dann vorgeschlagen, die Filterkerzen nach dem letzten Spülschritt auszubauen und in verdünnter Wasserstoffperoxid-Lösung zu reinigen. Wie auch bei der Reinigung mit Natriumhypochlorit-Lösung erhielten wir im filtrierten Bier Geschmacksveränderungen, die in die Richtung Pappe gingen. Insgesamt haben wir in diesem Lernprozess fünf Filterkerzen zu einem Stückpreis von gut 50 Euro unbrauchbar gemacht - und entsorgt.
    Als wir dann in der Szene nachfragten, warum so was passiert, haben wir allerhand Erklärungen und Empfehlungen erhalten bis hin zu "Das ist uns völlig unbekannt!". Nun kann es durchaus sein, dass uns auch die Geometrie unseres Filtergehäuses einen Streich gespielt hat, aber wir mussten ja trotzdem eine Lösung finden, da diese Filter auch Anschaffungskosten verursachen. Und wie es häufig so in den experimentellen Wissenschaften ist, hat sich eine einfache Lösung ergeben. Nach der letzten Filtration wird der Filter mit kaltem sterilem Wasser gegengespült, damit werden die meisten Hefezellen aus dem Filtergewebe entfernt. Danach befüllen wir das Filtergehäuse mit der eingebauten Filterkerze mit Bier und lagern den Filter bis zur nächsten Verwendung hermetisch verschlossen und unter geringem Überdruck mit Kohlensäure in unserer Kühlkammer bei 2 °C. Wenn das nächste Bier zur Filtration ansteht, wird der Filter vorher mit kaltem und sterilem Wasser gegengespült, und dann wird eben filtriert. Mit dieser Vorgehensweise haben wir bisher keinerlei Geschmacksveränderungen festgestellt, und mit der jetzigen Filterkerze haben wir bereits gut 500 L Bier filtrieren können. Die nächste Filtration werden wir durch eine mikrobiologische Untersuchung begleiten. Da das Bier nach der Filtration faktisch steril ist und wir für das Gegenspülen nur sterilisierte Utensilien sowie steriles UV-behandeltes Wasser verwenden, erwarten wir keine unangenehmen Überraschungen, aber bekanntlich ist der Teufel ein Eichhörnchen, und eine Kontrolle kann nicht schaden.
    Auch wegen des Aufwandes werden wir künftig nicht grundsätzlich alle Biere filtrieren, zumal die Trübung des Bieres nicht nur von der Hefe, sondern auch vom Braumalz und vom verwendeten Hopfen abhängt. Filtrieren werden wir jedoch die untergärigen mit der Diamond oder der W34/70 vergorenen Biere sowie die obergärigen hellen Biere, die mit der BRY-97 oder der Nottingham vergoren wurden, wie auch unsere mit maltosenegativen Hefen hergestellten alkoholfreien Biere. Pale Ale Biere, bei denen von den Konsumenten teilweise sogar eine Trübung erwartet wird (-> Hazy IPA), werden wir nur in geringen Mengen für diejenigen filtrieren, die Probleme mit Hefe im Bier haben.

    * Wir verwenden überwiegend Hefen der Firma Lallemand Brewing, die wir zu normalen Preisen im Handel kaufen, und davon mittlerweile auch nur noch wenige Sorten. Wir haben unseren Brauprozess seit Bestehen unserer Brauerei immer weiter verbessert und auf diesem Weg auch eine gewisse Bescheidenheit entwickelt. Selbstverständlich gibt es auch von anderen Herstellern ganz hevorragende Hefen, und von Zeit zu Zeit experimentieren wir auch mit anderen Hefen. Für unsere wissenschaftlichen Arbeiten und für eine gewisse Kontinuität verwenden wir jedoch nur noch wenige verschiedene Hefen, davon die meisten mit sehr guten Sedimentationseigenschaften, zuzüglich maltosenegative Hefen, die wir über Priv.-Doz. Dr. Mathias Hutzler vom Zentrum für Brau- und Lebensmittelqualität der TU München in Freising/Weihenstephan erhalten.

     

  • Am 26. Juni 2024 wurde unsere Umkehrosmoseanlage in Betrieb genommen, die uns nun mit einem Durchfluss von ca. 1,8 L/min demineralisiertes Wasser liefert.

    Seit nun bald einem Jahr wird das Oberflächenwasser in Clausthal-Zellerfeld durch die Stadtwerke in zwei neuen Wasserwerken aufbereitet, und neben einer Filtration und Behandlung mit Ozon wird eine Aufkalkung mit Calciumdihydrogencarbonat praktiziert. Durch die Erhöhung des pH-Wertes erhofften sich die Stadtwerke eine verminderte Korrosion im städtischen Leitungsnetz und bei den Endverbrauchern....
    Das Leitungswasser hat nun eine Wasserhärte von 5 - 6 °dH im Jahresmittel (vorher: 1 - 2 °dH) und gilt immer noch als weich, auch wenn man nun doch deutliche Kalkspuren auf den Armaturen (und nicht nur dort) beobachten kann. Die Wasserhärte unterliegt gewissen verfahrenstechnischen Schwankungen, die für die Sicherheit als Lebensmittel jedoch völlig unproblematisch sind. Allerdings beeinflusst der Gehalt an Mineralien den Brauprozess an mehreren Stellen, und für das Brauen von hellen Bieren, insbesondere von Pilsner Bier, ist ein sehr weiches Wasser unabdingbar.
    Hier spielen nicht nur die Gesamthärte sowie die sog. Restalkalität eine Rolle, sondern auch der Gehalt an Calcium-Ionen, die den Würzebruch, die Sedimentation der Hefe aber auch das Hopfenaroma beeinflussen. Die letzten authentischen Pilsner Biere sind uns ca. im November/Dezember 2023 gelungen, ungefähr im Februar/März 2024 wurde uns bewusst, dass es ein Problem gibt, und nachdem falsch ausgezeichnete Hopfen-Chargen als Fehlerquelle ausgeschlossen werden konnten, blieb nur noch das Brauwasser als Fehlerquelle übrig. Seit wenigen Wochen können wir in der Brauerei die Gesamthärte des Wassers bestimmen, und in den letzten Tagen vor der Installation der Umkehrosmoseanlage lag sie bei rund 6 °dH.
    Das Umkehrosmosewasser hat erwartungsgemäß eine gemessene Gesamthärte von 0 °dH. In die sog. Restalkalität, die letztlich die relative Verminderung des pH-Wertes beim Einmaischen von Malzschrot beschreibt, fließen primär die Konzentrationen von Hydrogencarbonat und der Kationen von Calcium und Magnesium ein. Hierzu finden sich Rechner im Internet, und wenn die Gesamthärte bekannt ist sowie die sog. Säurekapazität bis pH 4,3 (wird oft in Wasseranalysen so ausgewiesen), kann mit den Konzentrationen der genannten Ionen die Restalkalität berechnet werden. Diese kann positiv oder negativ sein, denn sie beschreibt letztlich nur, ob der pH-Wert der Maische nach dem Einmaischen mehr oder weniger stark sinkt. Dieses Thema wird nach aktueller Planung im kommenden Wintersemester in der Vorlesung "Bieranalytik" im Rahmen einer Doppelstunde behandelt.
    Da alle unsere Rezepte auf einer Wasserhärte von 1 - 2 °dH basieren, werden wir in den nun kommenden Brauversuchen die Wasserhärte ungefähr auf 1 °dH einstellen. Dafür müssen wir tagesaktuell die Gesamthärte des Wassers bestimmen und dann je nach dessen Härte mit dem Umkehrosmosewasser mischen. Bei einer Gesamthärte von 6 °dH erreichen wir mit einer Mischung aus 80% Umkehrosmosewasser und 20% Leitungswasser eine Gesamthärte von 1,2 °dH. Hätten wir an einem Tag bspw. eine Gesamthärte von 12 °dH im Leitungswasser, müssten wir unser Brauwasser aus 90% Umkehrosmosewasser und 10% Leitungswasser anmischen und erhielten ebenfalls 1,2 °dH. Anfang Juni hat ein externes Labor unser Wasser mit einer Gesamthärte von rund 3 °dH bestimmt, und in diesem Falle müsste der Anteil des Leitungswassers 40% betragen. Es gibt Wasseraufbereitungsanlagen, die vorgegebene Werte automatisch einstellen, allerdings sind die Anschaffungskosten auch erheblich, wenn ein hoher Durchsatz angestrebt wird, dazu kommt ein gewisser Wartungsaufwand.
    Von Nachteil bei unserer Anlage ist der geringe Durchsatz von nur 1,8 L/min, den wir nur durch eine zweite parallel zu betreibende Anlage erhöhen könnten. Das Einfüllen von nur 260 L Brauwasser (inkl. des Leitungswassers) erfordert nun gut 2 Stunden, in denen man immer mal wieder nachschauen muss, ob der Kessel nicht doch überläuft. Dazu kommt, dass vor Zumischung des Leitungswassers dessen Härte im Labor bestimmt werden muss, denn Schwankungen hat es in der Vergangenheit definitiv gegeben. Der Aufwand ist leider doch merklich höher als vorher, allerdings können wir auf diese Art unser Brauwasser definiert anmischen und wieder reproduzierbar brauen, was für das wissenschaftliche Arbeiten eine unabdingbare Voraussetzung ist. Ungefähr im September sollte es dann auch wieder authentische Pilsner Biere mit maximal 2,5 % vol Alkohol aus unserer Brauerei geben. Am 2. Juli werden wir den Braubetrieb wieder aufnehmen und wegen der hohen Nachfrage zwei alkoholfreie Biere (je 60 L) mit maximal 0,5 % vol Alkohol brauen. An weiteren Brautagen werden wir ein alkoholfreies Pale Ale brauen, für "Tank Siegfried" ein Pils und für "Tank Volker" ein Pale Ale mit weniger als 2 % vol Alkohol. Wir werden über diese Brauversuche berichten.
     

     

  • Diejenigen, die regelmäßig unsere Website lesen, haben sicher festgestellt, dass wir seit einigen Monaten nun schon Probleme mit der Einstellung der Bittere unserer Biere, insbesondere der hellen, haben. Auch ein Pils, wie wir es noch letztes Jahr brauen konnten, mit 2,5 oder 5 % vol Alkohol, gelingt uns im Moment nicht. Die Biere sind zwar gut, aber sie schmecken nicht mehr wie früher, und auch unser Pils ist nicht mehr authentisch. Anfangs hofften wir, dass der in Kleinpackungen gelieferte Hopfen einfach nur falsch ausgezeichnet war, aber diese Annahme hat sich, als dasselbe Problem mit dem Hopfenextrakt eines großen amerikanischen und namhaften Herstellers auftrat, als falsch erwiesen - leider, denn die Lösung dieses Problems wäre denkbar einfach gewesen. Wo liegt nun also die Ursache für diese Probleme?
    Ohne hier nun die komplexen Zusammenhänge in der Tiefe zu erläutern, aber das Bier aus dem tschechischen Pilsen ist deshalb so einzigartig, weil dort eben auf natürliche Art sehr weiches Wasser vorkommt. Die Wasserhärte wird im Wesentlichen durch Magnesium- und Calcium-Ionen bestimmt, und man unterscheidet wiederum die Carbonat-Härte (diese führt zu den Kalkablagerungen insbesondere an den Heizstäben nicht nur von Haushaltsgeräten) und die Nicht-Carbonat-Härte. Beide genannten Metall-Ionen beeinflussen an verschiedenen Stellen den Brauprozess. Für die Maischarbeit ist ein höherer Anteil von insbesondere Calcium-Ionen eher von Vorteil, aber auch der Würzebruch profitiert wie auch die Klärung des fertigen Bieres. Darunter leidet aber wiederum die Hopfenausbeute, und auch das typische Pils-Aroma wird durch einen zu hohen Anteil an Calcium- und/oder Magnesium-Ionen beeinflusst.
    Ohne anstehenden Gesprächen an dieser Stelle vorzugreifen, die Aufkalkung des Leitungswassers durch die Stadtwerke, die sich damit ein vermindertes Korrosionsproblem im städtischen Leitungsnetz erhofft haben, bereitet uns richtig Probleme. Dass nun auch in den privaten Haushalten Kalkablagerungen beobachtet werden, mag nur ein Schönheitsfehler sein, immerhin werden die aus dem Hochmoorwasser früher rötlich ausfallenden Huminstoffe in den beiden neuen Wasserwerken nun ausgefiltert. Allerdings haben wir mehr als deutliche Hinweise, dass der Kalkgehalt starken Schwankungen unterliegt, selbst wenn im Jahresmittel 5 - 6 °dH noch immer als "weiches Wasser" gelten.
    Was ist nun aber ein Mittelwert? Wenn ein Autohersteller vorschreibt, dass alle 4 Reifen mit 2,5 bar Druck zu befüllen sind, dann sollte jeder Reifen auch mit 2,5 bar gefüllt sein. Haben die Reifen vorne links und hinten rechts bspw. je nur 1,5 bar und die anderen je 3,5 bar, wäre der rechnerische Mittelwert auch 2,5 bar, also vordergründlich wäre auf den Mittelwert bezogen alles bestens. Allerdings sollte man nicht erwarten, dass ein KfZ mit solchen unterschiedlich aufgepumpten Reifen noch sicher zu fahren ist. Und so ähnlich ist das bei uns nun mit der mittleren Härte. Manchmal haben wir wohl sehr weiches Wasser, das sehen wir dann auch an den vernachlässigbaren Kalkspuren auf den Armaturen, manchmal müssen wir - leicht übertrieben - bergmännisch aktiv werden, um den Kalk zu entfernen. Für das Brauen von Bier und insbesondere unsere Forschungsarbeiten ist ein trotz Schwankungen des Kalkgehaltes lebensmitteltechnisch außer Frage einwandfreies und sehr gutes aber im Kalkgehalt eben schwankendes Wasser ein großes Problem. Was tun, denn so können wir nicht brauen, jedenfalls nicht reproduzierbar und schon gar nicht nach wissenschaftlichen Kriterien.
    Die meisten großen Brauereien verfügen wegen derselben Problematik über Wasseraufbereitungsanlagen. In aller Kürze: Das Leitungswasser wird über eine sog. Umkehrosmoseanlage bis auf einen Grenzwert an gelösten Salzen demineralisiert (destilliertes Wasser wäre entmineralisiert). Ein solches Wasser ist sehr weich und könnte, theoretisch, für das Brauen von Pilsner Bieren eingesetzt werden. In der Praxis wird das demineralisierte Wasser aber entweder wieder definiert auf niedrige Härtegrade aufgesalzt, und zwar automatisch, oder aber tagesaktuelles Leitungswasser wird zudosiert. Letzteres Vorgehen erfordert eine tagesaktuelle Analytik, aber die Bestimmung der Wasserhärte über Titration ist für ein Labor kein grundsätzliches Problem.
    Nun sind die Kosten für Umkehrosmose-Anlagen sehr variabel, und uns liegt ein detailliertes aber nicht gerade preiswertes Angebot einer Fachfirma vor. Bis diese technische Option umgesetzt ist, können aus verschiedenen Gründen mehrere Monate ins Land ziehen. Wir haben daher entschieden, eine einfache Umkehrosmoseanlage zu kaufen und dann tagesaktuell unser Brauwasser aus diesem und dem Leitungswasser anzumischen. Alle unsere bewährten Rezepte, die wir aber immer weiterentwickeln, basieren auf der früheren Wasserhärte von 1 - 2 °dH, und da wollen wir auch wieder hin. Sicher werden wir aus Neugierde auch einmal ein Pils mit reinem Umkehrosmosewasser, also mit demineralisiertem Wasser, brauen. Malz reichert sowieso durch die darin enthaltenen Mineralien den Salzgehalt des fertigen Bieres an, und wir schauen einmal, was passiert. Sicher aber werden wir bei einem solchen Versuch nicht gleich 200 Liter Bier herstellen. Diese bestellte Umkehrosmoseanlage hat einen zwar nur geringen Durchsatz von maximal 2 L/min, ferner werden wir durch tagesaktuelle Analytik begleitet das Leitungswasser zumischen müssen, aber diese Behelfslösung hilft uns erst einmal über die Runden. Bis zur Installation dieser Anlage ruht der Braubetrieb weitgehend, mit dem nächsten Bericht über ein aktuelles Bier ist daher frühestens in vier Wochen zu rechnen. Wir hoffen, dass wir dann zum kommenden Wintersemester wieder Pils und Helles in der früher gewohnten Qualität anbieten können, natürlich mit maximal 2,5 % vol Alkohol.

  • Wir möchten in dieser Rubrik von Zeit zu Zeit über die Beobachtungen berichten, die wir im Alltag einer Forschungsbrauerei so machen, und das meiste davon wird sich so oder so ähnlich auch in größeren Brauereien finden. Aus gegebenem Anlass möchten wir ein wenig über die Problematik verschimmelter Flaschen berichten. Wer einen Kasten Bier im Supermarkt kauft, macht sich in der Regel keinerlei Gedanken darüber, was mit der geleerten Flasche passiert. Die Flaschen werden von Ausnahmen abgesehen ungespült in die Kästen gestellt, bis der Kasten mit leeren Flaschen eben über das Pfandsystem zurück in die Brauerei gelangt, was nach Rückgabe durchaus mehrere Wochen dauern kann.
    Dort werden die Flaschen vorsortiert und in einer technisch ausgeklügelten Flaschenreinigungsmaschine mit heißer Lauge und unter ordentlichem Druck gespült, auch der Kasten selber wird gereinigt. Nach einem Spülschritt mit Wasser sind die meisten Flaschen danach innen blitzeblank und brautechnisch steril, sie können für die Füllung mit dem nächsten Bier verwendet werden. Davor werden sie noch mit Licht durchleuchtet, und Flaschen mit nicht unbedingt sichtbaren aber dennoch vorhandenen Defekten werden automatisch aussortiert. Bei sehr stark verschmutzten Flaschen kann es in seltenen Fällen aber trotzdem passieren, dass eine solche Flasche durch das Raster fällt und in eine solche Flasche Bier gefüllt wird. Auch kann es sein - dazu gibt es Fachartikel -, dass eine stark verschimmelte Flasche nach der Reinigung am Boden noch immer eine dünne, mit dem Auge kaum sichtbare Schicht an Schimmel aufweist, die sich letztlich nur chloralkalisch entfernen lässt. Es würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen, im Detail darauf einzugehen.
    Aber, warum bildet sich eigentlich Schimmel in ungespülten Bierflaschen, auch wenn in der Brauerei eine einwandfrei saubere Flasche mit Bier gefüllt wurde? Schimmelpilze bzw. Sporen sind allgegenwärtig, man nennt das in der Fachsprache "ubiquitär". Man kennt das doch aus dem Haushalt. Man lässt ein frisches Brot im Brotkasten und irgendwann beginnt es zu schimmeln. Sicher ist jedem schon einmal passiert, dass man frisches Obst kauft, legt es in den Kühlschrank und nach ein paar Tagen findet man Schimmel auf dem Obst. Ganz schnell geht dies mit Himbeeren oder Erdbeeren. Oder, man öffnet einen Becher mit Joghurt, und am Rand des Bechers befindet sich Schimmel.
    Die meisten Schimmelpilze sind aerob, d.h. sie benötigen Luft zum Wachstum, einige Arten können bei Luftausschluss aber auch Energie durch Gärung gewinnen. Für das Wachstum benötigen Schimmelpilze neben Kohlenhydraten, die über Amylasen zu einfachen Zuckern abgebaut werden, auch Proteine bzw. Aminosäuren, und selbstverständlich Wasser. Alle diese Nährstoffe finden sich in Lebensmitteln und somit auch in Bier. Es ist daher unvermeidbar, dass sich aus der Umgebung Schimmelpilze in einer Bierflasche ansiedeln. Ist diese Flasche gut gespült, finden die Schimmelpilze kein Nährmedium, und mit Luft und Wasser alleine findet auch kein Wachstum statt. Bier enthält nun aber eben unvergorene Zucker, Proteine aus dem Schaum und auch Wasser. Die geringen Mengen Alkohol im Bier stören nicht nennenswert, und manchmal finden auch Essigsäurebakterien den Weg in eine ungespülte Flasche, die in Gegenwart von Sauerstoff den Alkohol eben zu Essigsäure aufoxidieren. In der Regel sind die Schimmelpilze aber zuerst da, und diese beginnen sich in dem perfekten Nährmedium, welches sie in einer nicht ausgespülten Flasche vorfinden, zu vermehren.
    Da wir als Universität nicht verkaufen dürfen bzw. ein Verkauf steuerrechtlich sehr kompliziert wäre, geben wir das Bier kostenlos ab. Uns ist eine Rückmeldung sehr wichtig, da wir forschen und stetig neue Rezepte entwickeln. Selten brauen wir ein Bier genauso wie beim letzten Mal, und selbst bei den regelmäßig gebrauten hellen Bieren oder den Pale Ales variieren wir ein wenig die Malzmischung oder die Hopfensorten. Das Feedback unserer "Testtrinker" ist wichtig für uns, und wenn uns jemand sagt, dass man beim Trinken nicht merkt, dass unsere Biere nur halb so viel Alkohol enthalten wie Biere mit dem doppelten Alkoholgehalt, dann hilft uns dies auf unserem Weg weiter.
    Für die Reinigung unserer Flaschen steht uns eine Hochdruckflaschenwaschmaschine zur Verfügung, die mit 63 °C warmer Lauge die Flaschen in rund 8 Minuten reinigt. Ganz selten müssen wir eine Flasche ein zweites Mal reinigen. Wir beschränken uns wegen der Geruchsbelästigung auf einfache alkalische Lösungen und verwenden keine chloralkalischen Lösungen (ist auch besser für die Umwelt) in dieser Maschine, mit der wir gegenwärtig auch nur 0,33 L und 0,5 L Flaschen reinigen können, maximal 0,75 L Flaschen.
    Für die bisher überwiegend ausgegebenen 1 L Flaschen steht uns eine konventionelle Geschirrspülmaschine mit "Flaschenfee" zur Verfügung, die wir mit Lauge betreiben, wir können in einem fast 3-stündigen Spülvorgang 20 Flaschen à 1 L reinigen. Diese Maschine ist nur für leichte Verschmutzungen geeignet, Schimmel lässt sich nicht entfernen, und die Materialien dieser Maschine sind für chloralkalische Reinigungsmittel nicht geeignet. Dazu kommt, dass die Pumpe nicht genügend Druck aufbaut, um Schimmel in Flaschen zuverlässig zu entfernen.
    Wir hatten daher bisher keine andere Wahl, als jede einzelne 1 L Flasche genau anzuschauen und verschimmelte 1 L Flaschen von Hand zu reinigen. Auch dünne mit dem bloßen Auge kaum wahrnehmbare Schichten am Boden erfordern eine manuelle Reinigung. Dazu wird entweder jede einzelne Flasche mit einer chloralkalischen Lösung gefüllt, verschlossen und geschüttelt, mit einer Einwirkzeit von einer Stunde. Danach wird jede Flasche von Hand gespült und in der Geschirrspülmaschine mit Lauge bei 70 °C gereinigt. Oder aber wir nutzen unsere manuelle Fasswaschmaschine, mit der jede einzelne Flasche unter hohem Druck bei 75 °C mit einem sauren Reinigungsmittel gereinigt wird, was ca. 5 Minuten pro Flasche dauert. Eine Reinigung mit alkalischen Mitteln ist wegen unvermeidbarer Bildung von Aerosolen in der Atemluft nicht möglich. Nach Abkühlen der Flaschen folgt ein Spülschritt mit kaltem Wasser aus unserer Wasseraufbereitungsanlage, unser Leitungswasser ist faktisch steril. Der Zeitaufwand für das Reinigen von nur 20 verschimmelten Flaschen beträgt rund 2 Stunden, und man kann in dieser Zeit eigentlich nichts Anderes tun, weil die Einzel-Reinigung gerade mit der Fasswaschmaschine eine Aufsicht zwingend erfordert.
    Das Etikett aller unserer Flaschen enthält in farblich abgesetzter Schrift den Hinweis, die Flaschen nach dem Leeren direkt 2 - 3 x auszuspülen. Wir haben Erfahrungswerte, und wenn dies so beherzigt wird, findet in diesen ausgespülten Flaschen auch kein Schimmelwachstum statt. Das haben wir zigmal getestet, daher schreiben wir dies auf die Etiketten. Trotzdem kamen schon immer ca. 15 % der Flaschen verschimmelt zurück, selbst wenn bei der Ausgabe darauf hingewiesen wurde, die Flaschen unbedingt auszuspülen. Probeweise haben wir auf diesen Flaschen den Hinweis weggelassen, danach kamen 95 % verschimmelt zurück. Es hilft uns auch nicht, wenn die verschimmelten Flaschen vor Rückgabe gespült werden, wir sehen die dünne verbliebene Schicht am Flaschenboden bei Kontrolle mit bloßem Auge. Einmal ist uns beim Abfüllen eine augenscheinlich einwandfreie Flasche geplatzt, und nur durch Schutzausrüstung ist uns nichts passiert. Eine mögliche Ursache ist, dass die Flasche vor Rückgabe bei uns zur Entfernung des Schimmels mit kochendem Wasser gereinigt wurde. Damit entstehen nicht sichtbare Verspannungen im Material, und dann kann eine Flasche ohne Vorwarnung platzen. Auch eine automatische Anlage in einer Großbrauerei würde eine solche Flasche nicht sicher aussortieren können.
    Wir haben lange überlegt, wie wir mit diesem Problem nun umgehen, denn wir können nicht mehr tun, als darum zu bitten, die Flaschen direkt nach Leeren auszuspülen. Als erste Maßnahme haben wir die freie Abgabe von Bier in 1 L Flaschen auf unbestimmte Zeit eingestellt. Natürlich gibt es weiterhin bei uns Bier in 1 L Flaschen zum Mitnehmen, aber diese müssen im Sekretariat eben explizit angefordert werden. Wir vertrauen darauf, dass unsere Bitte, die Flaschen unbedingt direkt nach Leeren auszuspülen, auf diese Weise auch umgesetzt wird.
    Wir werden für Veranstaltungen, bspw. für die BigBand der TU Clausthal, weiterhin Bierkästen füllen. Auch werden wir weiterhin Bier in Fässern abgeben. Hier existiert ein vernachlässigbares Schimmelrisiko, und für die Reinigung und Dampfsterilisation von Fässern sind wir bestens ausgerüstet. Als weitere Maßnahme werden wir überlegen, wie wir unsere Hochdruckflaschenwaschmaschine so erweitern, dass wir auch 1 L Flaschen zuverlässig reinigen können, oder wir stellen auf 0,75 L Flaschen um. Dazu werden wir beim Hersteller nachfragen und falls möglich, die Maschine kostspielig umbauen müssen, und wir werden mit Schimmel-Test-Flaschen ausprobieren müssen, wie viele Spülgänge wir benötigen, um die Flaschen zuverlässig zu reinigen. Auch ist zu testen, ob das einfache alkalische Reinigungsmittel genügt oder ob wir ein chloralkalisches Reinigungsmittel (was wir der Umwelt zuliebe eigentlich gerne unterlassen würden) verwenden müssen. Letztlich unterliegen wir der Lebensmittelkontrolle und als Forschungsbrauerei an einer Universität ist es unsere Pflicht, Sorge dafür zu tragen, dass unser Bier ausschließlich in einwandfrei saubere Flaschen gefüllt wird.