Oktober 2024

  • 30. Oktober

    Zur Zeit findet in unserer Forschungsbrauerei ein 6-wöchiges studentisches Forschungspraktikum statt, in welchem wir einige neue Bier-Rezepte ausprobieren. Von Ausnahmen abgesehen brauen wir nur noch nach dem isothermen Hochtemperaturmaischverfahren mit variabler Temperatur, zu welchem eine neue referierte Publikation als open access Artikel verfügbar ist.

    Am 30.10. haben wir daher mit unserer 50 L Anlage, die über ein sehr leistungsfähiges Rührwerk verfügt und den Prozess des Einmaischens auf gerade einmal 30 Sekunden reduziert, zwei Biere gebraut, einmal einen hellen Bock mit rund 16 °P und ein Pale Ale mit 11,5 °P. Die Malzschüttung des Bockbieres bestand überwiegend aus Pale Ale Malz, abgerundet durch Carapils und Melanoidinmalz. Für das studentische Praktikum haben wir unter Analyse der in situ Stammwürze während 60 Minuten gemaischt, wobei nach 30 Minuten die Verzuckerung bereits zu 95% abgeschlossen war.
    Für die Bittere von ca. 25 IBU Einheiten haben wir einen nicht-isomerisierten Hopfenextrakt von Yakimachief verwendet, ein dezentes Fruchtaroma haben wir mit dem Produkt Dynaboost von Yakimachief in der Variante „Mosaic“ im Whirlpool eingestellt. Dieser US-amerikanische Hopfen bringt Aromen von Ananas, Mango und Maracuja mit, sowie Zitrusaromen, und soll den Geschmack des Bieres nicht zu sehr dominieren, ihm aber ein angenehmes tropisches Fruchtaroma verleihen, welches gut zu einem hellen Bockbier passen dürfte. Vergoren wird der Sud unter Druck in Tank Ulla mit der Lallemand Brewing „Diamond“ bei 12 °C. Sie ist mittlerweile unsere Standardhefe für untergärige Biere, weil sie neutral vergärt und sehr gut sedimentiert, was die Filtration unserer untergärigen Biere wiederum erheblich erleichtert. Mit einer Stammwürze von rund 16 °P sollten wir einen Alkoholgehalt von unter 4 % vol erreichen können.

    Die Schüttung des Pale Ale bestand ebenfalls aus Pale Ale Malz, abgerundet durch Carapils. Auch hier wurde während 60 Minuten gemaischt, und die Würze wurde mit einem Bitterhopfenextrakt von Yakimachief gekocht, mit 25 IBU als Ziel. Um dem Bier den typischen Pale Ale Charakter zu verleihen, ohne eine Übervergärung durch die enzymatische Aktivität von Hopfenpellets zu riskieren, haben wir eine Whirlpool-Hopfung mit Dynaboost in der Variante „Mosaic“ durchgeführt. Um das Aroma weiter zu betonen, haben wir direkt nach Zugabe der Hefe das Yakimachief Produkt Hyperboost in den Varianten „Mosaic“ und „Simcoe“ in den Gärtank, Tank Mathias, gegeben.
    Vergoren wird die Würze bei 20 °C mit der Lallemand Brewing „Verdant IPA“, die selber Aromen von Aprikose produziert und mit beta-Glucosidase über ein Enzym verfügt, welches glykosidisch gebundene Aromakomponenten abspaltet, in das Jungbier überführt und so das Fruchtaroma weiter betont. Im Braumagazin ist hierzu vor wenigen Jahren ein guter Artikel erschienen, der das Thema aus wissenschaftlicher Sicht beleuchtet. Die Suchbegriffe zu diesem Artikel lauten „Braumagazin“ und „Bio­trans­for­ma­ti­on von Hop­fen­in­halts­stof­fen durch die Hefe“.
    Unser Pale Ale sollte mit 11,5 °P nicht mehr als 2,5 % vol Alkohol aufweisen, was im Vergleich zu kommerziellen Pale Ales, die auch schon mal 7-8 % vol Alkohol aufweisen, sehr moderat ist. Erwähnt sei, dass diese Biere streng genommen wieder keine Biere sind. Zwar entsprechen alle Zutaten dem Lebensmittelrecht, unser Malz von Weyermann ist sogar von Bioland-Qualität, aber nach dem sog. vorläufigen Biergesetz von 1993 dürfen Hopfenextrakte nur während des Kochens zugegeben werden, wenn das Getränk als Bier bezeichnet werden soll. Ein Grund ist, dass seinerzeit Hopfenextrakte auch mit chemischen Lösemitteln hergestellt wurden, und das Kochen sollte sicherstellen, dass Reste davon beim Kochen vollständig entfernt werden.
    Da wir grundsätzlich nur Hopfenextrakte verwenden, die vom Hersteller mit überkritischem Kohlenstoffdioxid hergestellt wurden, also nur die wertgebenden Komponenten aus dem Hopfen extrahiert werden, spielt diese Maßgabe aus dem vorläufigen Biergesetz eigentlich keine Rolle mehr. Kaltgehopfte Pale Ale Biere sind daher in Deutschland keine Biere im strengen Sinne sondern eben Bierspezialitäten. Andererseits macht das sog. „Reinheitsgebot“ von 1516 wiederum keine Aussage dazu, wann der Hopfen in welcher Form zugegeben werden darf. Natürlich gab es 1516 keine Extraktion mit überkritischem Kohlenstoffdioxid, die Fürsten legten aber auch nicht fest, ob der Hopfen als Dolden frisch oder getrocknet oder eben als Pulver oder in anderweitig verarbeiteter Form zugegeben werden soll.

  • Am 23.10.2024 haben wir im Rahmen des nun ausgelaufenen Projektes zur Herstellung glutenfreier Biere auf der Basis von Quinoa das letzte diesbezügliche Bier gebraut. Aufgrund einer Geheimhaltungsvereinbarung können wir an dieser Stelle allerdings auf keine Details eingehen. Im Rahmen des Projektes ist es den Kolleginnen und Kollegen an der TU München gelungen, ein geschmacklich überzeugendes Quinoamalz herzustellen, dessen letzte Entwicklungsstufe in dieses Bier eingeflossen ist.
    Wir haben in der BrewTools 150 Pro, gemaischt wurde also mit der Malzrohrtechnik, 130 L Wasser mit einer Härte von 1 °dH vorgelegt (angemischt aus Umkehrosmosewasser und Leitungswasser) und eine Malzmischung eingemaischt, die danach den beiden typischen Rasten im Hoch-Kurz-Verfahren unterzogen wurde. Nach Abläutern, Zugabe von Sauergut und Kochen mit einem Bitterhopfenextrakt von Yakimachief wurde im Whirlpool als Aromahopfen „Hallertauer Tradition“ zugegeben. Wir haben rund 115 L Würze mit einer Stammwürze von 11,5 °P erreicht, die auf zwei zylinderkonische Gärgefäße aufgeteilt wurde. In einem wird der Sud obergärig mit der LalBrew Nottingham vergoren, in einem anderen untergärig mit der LalBrew Diamond.
    Basierend auf früheren Ergebnissen führen wir die Vergärung bei uns nun gespundet bei einem Druck von rund 1 bar durch. Eine Druckvergärung bietet gewisse Vorteile beim Abbau intermediär entstehender unerwünschter Aromakomponenten, ferner wird das Bier mit natürlicher Kohlensäure angereichert, und wir können auch nicht mehr den Zeitpunkt verpassen, nach der Hauptgärung das Ventil zum Druckaufbau zu schließen. Als Nachteil ergibt sich, dass die Vergärung etwas mehr Zeit benötigt als eine drucklose Vergärung. Beide Biere dürften etwa Ende November so weit sein, dass wir sie filtrieren und abfüllen können, und von einer kleinen Rückstellmenge abgesehen werden beide Biere dem Firmenpartner im Projekt übergeben.

    Mit diesem letzten Sud enden auf unbestimmte Zeit auch unsere Aktivitäten zu Bieren auf der Basis von Quinoa. Mit unvermälzter Quinoa, wie sie leicht kommerziell zu beziehen ist, haben wir sehr wechselnde Erfahrungen machen müssen, und ein wirklich authentisches Bier war nur als Pale Ale machbar. Allerdings ist der Aufwand sehr hoch, sodass wir glutenfreie Biere, die wir künftig für Veranstaltungen als Kleinmenge ebenfalls anbieten möchten, auf einem anderen Wege herstellen werden.
    Im Rahmen des Projektes wurden mehrere begleitende Studien- und Bachelorarbeiten durchgeführt und abgeschlossen, bei denen das Ziel war, Gluten durch Zugabe eines Enzyms abzubauen. Wir konnten auf diese Art mit Gerstenmalz Biere realisieren, deren Glutengehalt deutlich unter 10 mg/kg liegt. Ein Lebensmittel, welches einen Glutengehalt von weniger als 20 mg/kg aufweist, darf nach einer EU-Richtlinie als „glutenfrei“ bezeichnet werden. Mit der ELISA-Technik, die bei uns im Labor vorhanden ist, können wir den Glutengehalt während Gärung und Reifung verfolgen, und der Abbau ist von einigen Parametern abhängig. Die Sedimentationsfähigkeit der Hefe spielt eine Rolle, die Gärtemperatur, aber auch der Hopfen ist nicht ganz ohne Einfluss.
    Es kann bis zu 6 Wochen dauern, bis Gluten so weit abgebaut ist, dass an Zöliakie leidende Menschen im Regelfall kein Problem mehr mit einem solchen Bier haben und wir sicher Werte unterhalb von 10 mg/kg erreichen. Und selbst dann besteht noch immer das Risiko, dass hochempfindliche Menschen auch auf Spuren von Gluten in einem solchen Bier reagieren. Quinoa enthält a priori kein Gluten, ist daher für absolut glutenfreie Biere sicher die bessere Wahl.
    In den Studien- und Bachelorarbeiten haben wir aber umfangreiche Kenntnisse gewonnen, um auch mit Gerstenmalz faktisch glutenfreie Biere herzustellen. Leider aber ergeben sich auch Nachteile. Da das glutenabbauende Enzym Glukoamylasen enthält, werden diese Biere bei üblicher Stammwürze eher einen Alkoholgehalt im Bereich von 5 % vol aufweisen. Bisher ist uns noch nicht gelungen, Biere bei üblicher Stammwürze mit einem Alkoholgehalt von 2 - 2,5 % vol herzustellen. Hierzu gibt es zwar Ansätze, die jedoch im Detail untersucht werden müssen. Dazu kommt, dass wir diese Biere nach dem sog. vorläufigen Biergesetz von 1993, welches im eigentlichen Sinne das sog. Reinheitsgebot darstellt, nicht als „Bier“ bezeichnen dürfen. Der Deutsche Brauerbund verwendet für Biere, die streng genommen nicht nach dem „Reinheitsgebot“ gebraut werden, die Bezeichnung „Bierspezialität“, Craft-Biere aus kommerziellen Kleinbrauereien werden auch schon mal als „Brauereierzeugnis“ bezeichnet. Erwähnt sei, dass außerhalb von Deutschland solche Biere auch als Bier bezeichnet werden.

    Wir beenden diesen Beitrag daher mit folgender Quizfrage: „Es sieht aus wie ein Bier, riecht wie ein Bier, schmeckt wie ein Bier, ist aber kein Bier. Um was handelt es sich?“